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Biologische Vielfalt in der atlantischen Region erhalten

Biologische Vielfalt in der atlantischen Region erhalten

NRW und Niedersachsen haben den Startschuss für das gemeinsame Naturschutz-Projekt "Atlantische Sandlandschaften" gegeben, mit dem eine Trendwende beim Verlust der Artenvielfalt und wertvoller Naturräume eingeleitet werden soll. In den kommenden zehn Jahren stehen über 16 Millionen Euro zur Verfügung, um beispielsweise den Zustand von Heide- und Dünenlandschaften, artenreichen Borstgrasrasen und nährstoffarmen Stillgewässern zu verbessern.
20.04.2017
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen stellen gemeinsam länderübergreifendes LIFE-Projekt vor

Die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wollen mit einem länderübergreifenden Projekt die Trendwende beim Verlust der Artenvielfalt und wertvoller Naturräume einleiten. Zum Erhalt der Biodiversität haben NRW und Niedersachen vor zwei Jahren das integrierte LIFE-Projekt „Atlantische Sandlandschaften“ beantragt, das am 1. Oktober 2016 von der EU-Kommission genehmigt wurde. Damit stehen für das Projekt in den kommenden zehn Jahren 16,875 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen zum Beispiel vorhandene Heide- und Dünenlandschaften, artenreiche Borstgrasrasen und nährstoffarme Stillgewässer optimiert beziehungsweise wiederhergestellt werden; zugleich sollen die Bestände dort lebender Fokusarten, wie zum Beispiel Knoblauchkröte, Laubfrosch und Kammmolch, gestärkt werden. 
„Ich freue mich sehr, dass wir jetzt den offiziellen Startschuss für dieses Projekt geben können“, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel bei der Auftaktveranstaltung in Ibbenbüren. „Der Erhalt der Biodiversität ist eine zentrale Aufgabe menschlicher Daseinsvorsorge und neben dem globalen Klimawandel die große umweltpolitische Herausforderung unserer Zeit. Mit der europäischen und deutschen Biodiversitätsstrategie wollen wir deshalb den fortschreitenden Verlust an Arten- und Lebensräumen in den nächsten Jahren stoppen und die biologische Vielfalt wieder vergrößern.“ Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel betonte die Notwendigkeit einer länderübergreifenden Zusammenarbeit: „Mit diesem Vorhaben betreten Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemeinsam Neuland. Auch wenn in beiden Bundesländern schon umfangreiche Erfahrungen mit LIFE-Projekten vorhanden sind, ist doch das von der EU-Kommission aufgelegte Format der „integrierten Projekte“ für alle Beteiligten mit neuen Chancen verbunden. So können beispielsweise Maßnahmen zum Schutz und zur Regeneration von Mooren erheblich zur Minderung der klimaschädlichen Treibhausgase beitragen.“ Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, sagte: „Ich freue mich sehr, dass zwei Bundesländer gemeinsam für den Erhalt der biologischen Vielfalt eintreten und mit dem LIFE-Projekt Atlantische Sandlandschaften ein ganz besonderes Vorhaben starten. Es ist das erste integrierte LIFE-Projekt in Bereich Naturschutz und Biologische Vielfalt und verfolgt einen neuen, gebiets- und bundesländerübergreifenden Ansatz statt nur auf die Verbesserung von Einzelgebieten zu zielen. Das Projekt ist ein Beispiel für eine länderübergreifende, großräumige Zusammenarbeit, dessen Erfolge auf andere Regionen übertragen werden können." Das Integrierte LIFE-Projekt "Atlantische Sandlandschaften" hat das Erreichen insbesondere von Ziel 1 der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2020 im deutschen Teil der atlantischen biogeo-graphischen Region zum Ziel. Hierfür müssen sich die Erhaltungszustände von 34 Prozent der Lebensraumtypen und 26 Prozent der Arten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bis 2020 verbessert haben. (Im Ergebnis könnten 100 Prozent mehr Habitate und 50 Prozent mehr Arten mit einem verbesserten Schutzstatus in den FFH-Berichten ausgewiesen werden.) Dies wird im Wesentlichen durch die erste Säule des Projektes "Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Erhaltungszustände schwerpunktmäßig in Natura 2000-Gebieten der Sandlandschaften in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen" bewirkt. Dafür wurde in den vergangenen zwei Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort der Förderantrag für das Integrierte Life-Projekt erarbeitet. In einem ersten Schritt wurden in NRW und in Niedersachsen jeweils auf Landesebene die Verbände und Einrichtungen des Naturschutzes und der Land- und Forstwirtschaft informiert. Danach wurden auf regionaler Ebene die Kreise und kreisfreien Städte, die Biologischen Stationen und die Verbände in die Erarbeitung des Antrages und die konkrete Entwicklung von Maßnahmen einbezogen. Auch auf Bundesebene erfolgte eine Zusammenarbeit mit weiteren Bundesländern der atlantischen biogeographischen Region. In beiden Bundesländern stehen 15 Lebensraumtypen und zehn Arten der biogeographischen Region "Atlantische Sandlandschaften" im Fokus der geplanten Naturschutzmaßnahmen. Für die kommenden zweieinhalb Jahre sind 98 Maßnahmen geplant, davon werden 27 in Nordrhein-Westfalen - Schwerpunkt Münsterland und Niederrhein - durchgeführt. In beiden Bundesländern liegt die Gesamtverantwortung für die Umsetzung bei den Umweltministerien. Die operative Umsetzung des Projektes, besonders in Bezug auf die Realisierung der konkreten Einzelmaßnahmen vor Ort, wurde an die Bezirksregierung Münster übertragen, die diese Aufgabe in Kooperation mit den jeweils örtlich zuständigen Bezirksregierungen und den eingerichteten Fach- und Umsetzungsarbeitsgemeinschaften koordiniert. Unterstützt wird die Umsetzung des IP-LIFE ferner durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) sowie durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Mit der Auftaktveranstaltung heute (20. April 2017) soll die breite Öffentlichkeit über die Projektziele der bis 2026 zu realisierenden Naturschutzmaßnahmen informiert werden. Das IP-LIFE-Projekt "Atlantische Landschaften" hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Das Projektbudget von 16,875 Millionen Euro wird zu 60 Prozent von der Europäischen Kommission gefördert. Zudem werden weitere Fördermittel, sogenannte Hebelmittel, einbezogen.

Zum Hintergrund:

Folgende Arten stehen im Fokus der geplanten Naturschutzmaßnahmen:

  • Kreuzkröte
  • Europäischer Laubfrosch
  • Knoblauchkröte
  • Moorfrosch
  • Kleiner Wasserfrosch
  • Kammmolch
  • Froschkraut
  • Große Moosjungfer
  • Schlingnatter
  • Zauneidechse

Folgende Lebensräume sollen mit den geplanten Maßnahmen verbessert oder erweitert werden:

  • Trockene Sandheiden mit Besenheide und Ginster
  • Trockene Sandheiden mit Besenheide und Schwarzer Krähenbeere
  • Dünen mit offenen Grasflächen mit Silber- und Straußgräsern
  • Nährstoffarme, sehr schwach mineralische Gewässer der Sandebenen
  • Nährstoffarme bis mesotrophe (= mit mittlerem Nährstoffgehalt) stehende Gewässer
  • Dystrophe (= nährstoffarme, huminsäurereiche und kalkfreie) Seen und Teiche
  • Feuchte Heiden des nordatlantischen Raumes mit Glockenheide
  • Trockene europäische Heiden
  • Formationen von Heide-Wacholder, auf Kalkheiden und -rasen
  • Artenreiche Borstgrasrasen
  • Lebende Hochmoore
  • Noch renaturierungsfähige degradierte Hochmoore
  • Übergangs- und Schwingrasenmoore
  • Torfmoor-Schlenken
  • Moorwälder
Das EU-LIFE-Programm und IP-LIFE

Das LIFE-Programm dient auf europäischer Ebene als Förderinstrument für Maßnahmen im Bereich Umwelt und Klimawandel. Das LIFE-Programm startete im Jahr 1992 und feiert so-mit in diesem Jahr (ebenso wie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) das 25-jährige Jubiläum. Bislang wurden vier komplette Programmphasen durchlaufen (LIFE I: 1992-1995, LIFE II: 1996-1999, LIFE III: 2000-2006 and LIFE+: 2007-2013). In diesem Zeitraum wurden EU-weit 4500 Projekte kofinanziert. Nordrhein-Westfalen ist mit 31LIFE-Naturschutzprojekten an der Spitze der deutschen Bundesländer bei der Nutzung von LIFE für die Umsetzung von Natura 2000.

Integrierte LIFE-Projekte, kurz: IP-LIFE

Die sogenannten "Integrierten Projekte" wurden eingeführt, um die Umweltgesetzgebung und Umweltziele überregional umzusetzen und damit die Wirkung des LIFE-Programms zu erhöhen. Sie bieten Fördermittel für Pläne, Programme und Strategien auf regionaler, multiregionaler oder nationaler Ebene. Der integrative Ansatz berücksichtigt über Natur und Umweltaspekte hinaus weitere Problemfelder (wie zum Beispiel den Klimawandel und nachhaltige Ressourcennutzung). Für IP-LIFE-Projekte müssen zudem zusätzliche Hebelmittel nachgewiesen werden, das heißt es ist ein wichtiges Ziel, Förderungen von außerhalb (z.B. ELER, EFRE, FöNa, etc.) im Sinne des Projektes zu mobilisieren.

Die Atlantische Region

Die biogeographischen Regionen sind ein Zonenmodell in der Europäischen Union und dienen insbesondere als Grundraster für die Bewertung und Flächenauswahl der FFH-Gebiete. Sie weisen jeweils besondere Charakteristika hinsichtlich der dort vorkommenden Arten und Lebensräume auf. Die sogenannte "Atlantische Region" kennzeichnet das küstennahe Nordwesteuropa und umfasst neben Teilen Deutschlands Bereiche in Belgien, Dänemark, Frankreich, Portugal, Spanien und dem Vereinigten Königreich sowie Irland und die Niederlande. In Deutschland umfasst diese biogeographische Region mit etwa 70.000 Quadratkilometer 20 Prozent der Landfläche und erstreckt sich über den westlichen Teil der Norddeutschen Tiefebene. Der Großteil (circa 80 Prozent) befindet sich in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen; die übrige Fläche verteilt sich auf die Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie Teile Schleswig-Holsteins und Sachsen-Anhalts. In NRW wird die Atlantische Region durch die Westfälische Bucht mit den Flüssen Lippe und Ems, das niederrheinische Tiefland zu beiden Seiten des Rheins sowie die Kölner Bucht abgegrenzt.

Sandlandschaften

Die Lebensräume der Atlantischen Region, die natürlicherweise überwiegend nährstoffarm sind oder mittlere Nährstoffgehalte aufweisen, sind häufig durch Sandböden gekennzeichnet. Die oberen Sedimentschichten wurden im Quartär, Holozän und Pleistozän geformt, durch die eiszeitlichen Veränderungen transportiert und abgelagert und formten so die Landschaft. Im Rahmen des Projektes sollen beispielsweise vorhandene Heidelandschaften, artenreiche Sandtrockenrasen und nährstoffarme Stillgewässer optimiert beziehungsweise wieder hergestellt werden sollen.