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Nordrhein-Westfalen beschleunigt Hochwasserschutz durch Pakt mit Wasserverbänden und Kommunen

Nordrhein-Westfalen beschleunigt Hochwasserschutz durch Pakt mit Wasserverbänden und Kommunen

Planung soll ganzheitlich für Flusseinzugsgebiete erfolgen – auch kleinere Gewässer im Blick

03.07.2025

Vier Jahre nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 hat Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer eine Bilanz der bisherigen Hochwasserschutzmaßnahmen vorgelegt und eine engere Zusammenarbeit mit den Wasserverbänden, Kreisen und Kommunen angekündigt. Ziel des „Pakt für Hochwasserschutz“ ist es, Maßnahmen für ganze Flusseinzugsgebiete gemeinsam voranzutreiben und zu prüfen, wie bestehende Hindernisse aus dem Weg geräumt und Prozesse beschleunigt werden können. „Hochwasser macht nicht an kommunalen Grenzen halt, deshalb brauchen wir Konzepte, die Hochwasserschutz aus einem Guss für ganze Regionen denken. Der Klimawandel lässt uns keine Zeit. Mit dem Pakt für Hochwasserschutz wollen wir gemeinsam schneller, zielgerichteter und wirksamer werden“, erklärte Krischer.

Die Flut 2021 habe auch gezeigt, wie gefährlich kleinere Flüsse werden können, die vorher nicht im Fokus standen. Sie sollen in die regionalen Pakte der Flussgebiete einbezogen werden. Darüber hinaus sollen Maßnahmen des ökologischen Hochwasserschutzes, z.B. Renaturierungen, in die Konzepte aufgenommen werden. Bisher war das nicht der Fall. Nun sollen sie integraler Bestandteil der Planungen werden, da das Aufweiten von Flüssen und die Schaffung von Auenlandschaften nachweislich dazu beiträgt, mehr Wasser in der Landschaft zu halten und bei einem Hochwasser die Wassermassen zu reduzieren, die flussabwärts fließen. 

Als Vertreterin der Kommunen, die 2021 besonders betroffen waren, erklärte Sabine Preiser-Marian, Bürgermeisterin von Bad Münstereifel: „Wir haben erlebt, wie verheerend ein Hochwasser und ein Starkregenereignis eine ganze Region treffen können. An der Erft und den Nebengewässern haben wir daraus viele Lehren gezogen. Als erste Kommune im Kreis Euskirchen haben wir vor kurzem ein Hochwasserfrühwarnsystem installiert. Zahlreiche bauliche Maßnahmen sind in Vorbereitung. Die interkommunale Zusammenarbeit, die wir mit anderen Erft-Anrainern praktizieren, erweist sich als sehr fruchtbar. Wir werden unsere Erfahrungen in den Pakt einbringen, denn Abstimmungen über die Grenzen hinweg sind im Hochwasserschutz unverzichtbar.“ An der Erft besteht seit rund zwei Jahren die sogenannte „Interkommunale Hochwasserschutzkooperation Erft“. Ziel ist es, Maßnahmen so zu konzipieren, dass sie nicht nur lokal wirken, sondern den Schutz für alle beteiligten Kommunen verbessern – ohne dass der Schutz einer Kommune auf Kosten einer anderen geht. Die Erfahrungen sollen in den neuen landesweiten Pakt für Hochwasserschutz einfließen.

500 Hochwasserschutz-Projekte seit 2021 gefördert

Insgesamt hat das Land Nordrhein-Westfalen seit 2021 rund 500 Projekte mit dem Ziel eines besseren Hochwasserschutzes gefördert. Davon entfallen rund ein Drittel auf bauliche Maßnahmen (z.B. Deichsanierungen, Bau von Rückhaltebecken, mobile Schutzwände), ein Drittel auf Starkregenrisiko- und Hochwasserschutzkonzepte und ein Drittel auf Grunderwerb und Planungsverfahren. Beispiele für zurzeit laufende Großprojekte sind ein Retentionsraum in Köln-Worringen am Rhein, wo auf einer Fläche von fast 1000 Fußballfeldern ein künstlicher Überflutungsraum geschaffen wird, der Hochwasserspitzen um bis zu 17 Zentimeter kappen soll. Technische Deichsanierungen laufen zurzeit unter anderem auf einem 4,6 Kilometer langen Abschnitt zwischen Wallach und Wesel-Büderich am Niederrhein. Dort wird der Rheindeich an die aktuellen technischen und hydraulischen Anforderungen angepasst. Auch zwischen Rees und Bienen findet im Grenzgebiet zu den Niederlanden eine größere Sanierung des Rheindeichs statt. Daneben laufen Maßnahmen wie in Oberhausen, wo an der Ruhr der Deichverteidigungsweg mit einer Breite von 6,50 Metern ausgebaut wird, um ein schnelleres Eingreifen für Feuerwehr und THW bei Hochwasserereignissen zu ermöglichen. 

Ein neues Modellprojekt für künftigen Hochwasserschutz stellte Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband, vor: „HaLiMa“ steht für die Orte Haltern-Lippramsdorf/Marl und ist ein groß angelegtes Hochwasser- und Naturschutzprojekt an der Lippe. Auf einer Länge von 5,6 Kilometern werden bestehende Deiche am Nord- und Südufer durch neue, zurückverlegte Deiche ersetzt. Dadurch entsteht eine zusätzliche Auenfläche von rund 60 Hektar. „HaLiMa ist ein Modellprojekt für modernes Hochwasserrisikomanagement, weil es technische Schutzmaßnahmen mit ökologischer Flussentwicklung kombiniert“, erklärte Paetzel. Das Projekt soll bis 2027 abgeschlossen sein und wird vom Land mit 55 Millionen Euro gefördert.

Emschergenossenschaft und Lippeverband treiben zusammen mit dem Wasserverband Eifel-Rur und dem Land zudem ein weiteres Zukunftsthema voran. Das Projekt „StatExNi“ berechnet seit 2025 die Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen und ihren Folgen für die Gewässer. „Damit entwickeln wir innovative Lösungen für den Umgang mit Starkregen, Hochwasser und Trockenperioden, um die Menschen in den Regionen besser zu schützen“, erläuterte Paetzel. Diese Einbeziehung von Klimawandelfolgen in die Hochwasserschutzplanung hat es so bisher in Nordrhein-Westfalen nicht gegeben.

Neue Hochwasserzentrale bekommt „Datendrehscheibe“

Insgesamt hat das Land Nordrhein-Westfalen seit 2021 rund 390 Millionen Euro für Hochwasserschutz-Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Trotz der angespannten Haushaltssituation konnten die Mittel seit dem Jahr 2021 in Höhe von 56,7 Millionen Euro auf 83,8 Millionen Euro im Jahr 2024 gesteigert und auch in 2025 gehalten werden (2022: 76,7 Millionen Euro; 2023: 89,97 Millionen Euro). Neben Maßnahmen, die sichtbar in der Landschaft stattfinden, sind Strukturen und Meldewege entscheidend. Neu ist die Hochwasserzentrale am Standort Duisburg des LANUK, die das Herzstück des neuen Informations- und Warnsystems wird. Sie bietet schon jetzt aktuelle Daten, Übersichten und Warnungen. Künftig soll sie alle Informationen zum Thema Hochwasser bündeln und die Meldungen an alle Beteiligten nach dem „Single-Voice-Prinzip“ herausgeben. Damit noch mehr Informationen genutzt werden können, sollen sukzessive Pegeldaten Dritter (z.B. von Wasserverbänden und Kommunen) einbezogen werden. Alle zur Verfügung stehenden Informationen sollen über eine einheitliche technische Schnittstelle, die „Datendrehscheibe“, ausgetauscht werden. 

Auch beim Pegelausbau hat sich in Nordrhein-Westfalen viel getan: Seit der Flut 2021 wurde das landeseigene Pegelnetz deutlich ausgebaut. 84 Hochwassermeldepegel gab es damals, bis Ende 2025 werden es 122 sein. Neue Standorte – wie zuletzt in Welzen an der Sülz – liefern verlässliche Daten für das Hochwasserportal.NRW und Warn-Apps wie NINA. Die Technik ist doppelt gesichert, die Daten laufen rund um die Uhr in der Hochwasserzentrale ein. 

Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hatte vor allem in den Regionen an der Erft, Ahr und Rur sowie in Teilen des Bergischen Landes schwere Schäden verursacht. In Nordrhein-Westfalen kamen 49 Menschen ums Leben, Tausende verloren ihr Zuhause. Die Gesamtschäden allein in Nordrhein-Westfalen werden auf mindestens 12 Milliarden Euro geschätzt.