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Minister Remmel: "Saubere Luft ist Gesundheitsschutz"

Minister Remmel: "Saubere Luft ist Gesundheitsschutz"

NRW-Umweltminister Remmel hat schnelle Konsequenzen aus den weiterhin hohen Grenzwertüberschreitungen beim Stickstoffdioxid (NO2) gefordert. Autoindustrie und Bundesregierung hätten die Menschen allein gelassen und müssten nun endlich Verantwortung übernehmen. In einem Eckpunktepapier spricht er sich unter anderem für ein NO2-Sofortminderungsprogramm und einen nationalen Entschädigungsfond für vom Abgasskandal geschädigte Verbraucher aus.
19.04.2017
Ausgleichs- und Entschädigungsfonds einrichten; NO2-Minderungsprogramm auflegen; NRW Bündnis für saubere Luft schließen

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel hat schnelle Konsequenzen aus den weiterhin hohen Grenzwertüberschreitungen beim Stickstoffdioxid (NO2) und dem damit verbundenen EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik gefordert. "Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid belasten die menschliche Gesundheit. Dass wir in unseren Städten seit Jahren hohe Grenzwertüberschreitungen hinnehmen müssen, muss endlich ein Ende haben: Das fordert der Gesundheitsschutz, das fordern mittlerweile die Gerichte und das sind wir den Menschen schuldig. Bislang haben die Automobilindustrie und die Bundesregierung kein wirkliches Interesse an sauberer Luft in unseren Städten. Im Gegenteil: Sie haben sich aus der Verantwortung gestohlen und die Menschen, die Kommunen und das Land allein gelassen. Automobilindustrie und Bundesregierung müssen endlich Verantwortung übernehmen", sagte Minister Remmel jetzt in Düsseldorf. "Umweltschutz ist Gesundheitsschutz! Daher brauchen wir ein umfassendes Maßnahmenpaket, das zum einen eine schnelle Minimierung des gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxids in den Städten und in den Ballungsräumen sicherstellt. Klar ist aber auch, dass die durch den Abgasskandal geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher entschädigt werden müssen", forderte der Minister. Das NRW-Umweltministerium habe deshalb einen Nationalen Ausgleichs- und Entschädigungsfonds und ein NO2-Sofortminderungsprogramm in das das laufende Beteiligungsverfahren der Bundesländer zum EU-Vertragsverletzungsverfahren eingebracht und den Forderungskatalog der Bundesregierung zugeleitet. Minister Remmel: "Es darf nicht sein, dass letztlich die Bürgerinnen und Bürger für die Untätigkeit der Bundesregierung und die illegalen Machenschaften der Automobilhersteller herhalten müssen."

Weiterhin hohe Grenzwertüberschreitungen in NRW

Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid ist in den Städten Nordrhein-Westfalens unverändert hoch. Das zeigen die Ergebnisse der Messungen zur Luftqualität 2016, die das NRW-Umweltministerium in der letzten Woche vorgestellt hat. An 60 von 127 Messstellen in NRW wird der EU-Grenzwert für die mittlere Jahresbelastung nicht eingehalten. Besonders hoch belastet ist die Luft an stark befahrenen Straßen in Ballungsräumen. Dort wird die Einhaltung des Grenzwertes ohne weitere und einschneidende Maßnahmen auf längere Sicht nicht möglich sein. Damit bleibt Stickstoffdioxid weiterhin der kritischste Luftschadstoff in NRW. Hauptverursacher dieser hohen NO2-Belastung sind nach wie vor der Straßenverkehr und besonders die Diesel-Fahrzeuge. "Die Belastung mit Stickstoffdioxid ist das Problem Nummer eins in der Luftreinhaltung, nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Stickstoffdioxid in der Luft gefährdet die Gesundheit der Menschen", sagte Minister Remmel. "Von daher müssen wir alles tun, um die Gesundheitsbelastungen der Menschen in den betroffenen Städten deutlich zu reduzieren. Denn Umweltschutz ist Gesundheitsschutz." Im Rahmen des Beteiligungsverfahren der Bundesländer zum EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik wegen der hohen NO2-Grenzwertüberschreitungen hat das NRW-Umweltministerium zwei Initiativen eingebracht:

1. Nationaler Ausgleichs- und Entschädigungsfonds

Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Belastungssituation mit der gleichzeitigen EU-Grenzwertüberschreitung drohen aufgrund der aktuellen gerichtlichen Verfahren sowie der EU-Vertragsverletzungsverfahren Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Nach wie vor sind der Kfz-Verkehr und insbesondere die Diesel-Fahrzeuge als Hauptverursacher der hohen NO2-Belastung anzusehen. Bei mehreren Millionen Dieselfahrzeugen sind illegale Abschalteinrichtungen installiert wurden. Käuferinnen und Käufer wurden hier von den Autokonzernen getäuscht und haben diese Fehlentwicklung nicht zu verantworten, hätten aber bei Dieselfahrverboten den wirtschaftlichen Schaden. Minister Remmel: "Daher müssen die Automobilkonzerne endlich von der Bundesregierung in die Verantwortung genommen werden." Zur Vermeidung von Fahrverboten ist die Bundesregierung daher aufgefordert, umgehend einen Entschädigungsfonds für die Geschädigten des Dieselskandals einzurichten und die entsprechende finanzielle Ausstattung sicherzustellen. Eine Gesamtsumme des Fonds von 15 Milliarden Euro kann über drei Jahre ausgezahlt und über die KfW organisiert werden. Das Fondskapital soll von den Herstellern der illegalen Abschalteinrichtungen eingebracht werden.

2. NO2-Sofortminderungsprogramm

Darüber hinaus wird der Bund aufgefordert, mit einem NO2-Sofort-Minderungsprogramm in Höhe von rund 5 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre die finanzielle Basis zu legen, damit die NO2-Emissionen nachhaltig gesenkt und mögliche Strafzahlungen im Rahmen des EU-Vertragsverletzungsverfahrens abgewendet werden können. Zu den Maßnahmen des Minderungsprogramms sollen unter anderem zählen:

  • Nachrüstung aller ÖPNV-Dieselbusse mit auch im Stadtbetrieb voll funktionstüchtigen SCR-Katalysatoren
  • 1.000-Schiffe-Programm: 200.000 Euro-Förderung für den Kauf und Einbau von ZKR IV-Schiffsmotoren, die die ab dem Jahr 2020 gültigen Emissionswerte für Binnenschifffahrtsmotoren einhalten.
  • 10.000 neue Elektro-/Erdgasbusse für Deutschland
  • Vollständige Elektrifizierung der Bahnstrecken bis zum Jahr 2030
  • 30 neue Oberleitungs-Busnetze für Deutschland
  • 100 wirklich fahrradfreundliche Kommunen
  • Änderung des Personenbeförderungsgesetzes, damit die Kommunen nur noch für umweltfreundliche Taxen Konzessionen erteilen können.
Bündnis für saubere Luft in NRW

Diese Maßnahmenpakete auf Bundesebene würden uns in Nordrhein-Westfalen in die Lage versetzen erfolgreich Luftreinhaltung betreiben zu können. Mit den meisten betroffenen Kommunen wird derzeit über die Fortschreibung der Luftreinhaltepläne verhandelt, dabei ist klar, dass ohne ambitionierte und wirksame Maßnahmen Dieselfahrverbote nur schwer zu vermeiden sind. Das Land Nordrhein-Westfalen will folgende Aspekte in dieses Bündnis einbringen:

  • Jährlich 100 Mio. Euro für die kommunale Radverkehrsinfrastruktur
  • Weitere Fokussierung der Fördermittel für den ÖPNV für elektrische Antriebe
  • Ausweitung der Modellvorhaben "Emissionsfreie Innenstädte" in der laufenden EFRE-Förderperiode
  • "Luftreinhaltung" als einer der drei NRW-Schwerpunkte in der nächsten EFRE-Förderperiode ab dem Jahr 2020

In einen "Bündnis für saubere Luft" soll mit den Kommunen, den kommunalen Nahverkehrsunternehmen und Energieversorgern, dem Handwerk, dem Einzelhandel, den Pflegedienstleistern, den Taxen, der Logistikwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft vereinbart werden, dass künftig jedes neu angeschaffte Auto emissionsfrei ist, dass An- und Ablieferung zunehmend elektrisch läuft, dass Pendeln stressfrei und gesund mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV geschieht, dass kommunales und betriebliches Mobilitätsmanagement Normalität wird, und dass der ÖPNV elektrisch fährt.

Kritik an Bundesregierung und Automobilherstellern

Mit Blick auf die hohe Zahl von NO2-Grenzwertüberschreitungen kritisierte Minister Remmel die Untätigkeit der Bundesregierung. "Die bisherige Haltung der Bundesregierung lässt für mich leider bis heute keinen klaren Willen und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Automobilindustrie und für die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine ambitionierte Minderungsstrategie erkennen", sagte der Minister. Es sei nicht auszuschließen, dass die Verwaltungsgerichte die Länder dazu zwingen würden, in den Ballungsräumen Diesel-Fahrverbote zu verhängen. Damit würden die Versäumnisse und Fehlentwicklungen auf Seiten der Gesetzgebung und der Automobilindustrie auf dem Rücken von Verbraucherinnen und Verbraucher sowie von Gewerbebetrieben ausgetragen werden. "Dies gilt es zu verhindern", betonte Minister Remmel.