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Umweltminister Krischer: Wir brauchen mehr intakte Lebensräume für Natur- und Artenschutz

Umweltminister Krischer: Wir brauchen mehr intakte Lebensräume für Natur- und Artenschutz

"Artenschutz braucht nicht nur intakte Lebensräume. Artenschutz braucht auch großflächige und unzerschnittene Lebensräume", sagte Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer auf der 4. Station seiner Informationstour zur biologischen Vielfalt in NRW. Ziel sei es, den in der Biodiversitätsstrategie vorgesehenen landesweiten Biotopverbund auf 15 Prozent der Landesfläche umzusetzen.

09.09.2022
Vierte Station der Sommerreise zum Zustand der biologischen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen: Minister Krischer besucht die Grünbrücke an der B64 in Altenbeken

Die Landesregierung will die Flächen für den Schutz der heimischen Natur weiter ausweiten und die Biotop-Vernetzung weiter forcieren. Ziel sei es, den in der Biodiversitätsstrategie vorgesehenen landesweiten Biotopverbund auf 15 Prozent der Landesfläche umzusetzen. Bisher liegt dieser Anteil bei etwa 11,7 Prozent. "Artenschutz braucht nicht nur intakte Lebensräume. Artenschutz braucht auch großflächige und unzerschnittene Lebensräume", sagte Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer auf der vierten Station seiner Informationstour zur biologischen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen.

Ausgedehnte unzerschnittene Lebensräume sind für Tierarten mit hohem Raumbedarf und großem Aktionsradius unabdingbar. Große unzerschnittene Landschaftsräume sind wesentliche Bedingung für den Austausch der Gene und das Überleben der Populationen. Allerdings gibt es in Nordrhein-Westfalen nur noch sechs unzerschnittene, verkehrsarme Räume (UZVR) mit Flächen von mehr als 100 Quadratkilometern. Daher sind die Vernetzung einzelner kleinerer Biotope, etwa durch Grünbrücken, von großer Bedeutung für den Artenschutz.

Alte Buchenwälder, mystische Moore, knorrige Eichenbäume, blühende Heideflächen und wilde Mittelgebirgsbäche, aber auch artenreiche Streuobstwiesen und der Natur überlassene Industriebrachen: Nordrhein-Westfalen hat eine einzigartige Natur und eine faszinierende Artenvielfalt. Mehr als 43.000 verschiedene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten und zahlreiche unterschiedliche Lebensräume bilden die Grundlage für den Artenreichtum in unserem Bundesland. Aber der Klimawandel, eine zu intensive Landwirtschaft, Flächenfraß und weitere Umwelteinflüsse gefährden den Artenreichtum und die Lebensräume von Tieren und Pflanzen.

Der Erhalt von naturnahen Lebensräumen und Arten sichert langfristig eine lebenswerte Umwelt für die heutige Generation und künftige Generationen. "Immer dort, wo Verkehrsachsen Lebensräume von Wildtieren durchschneiden, müssen wir Lösungen finden, die dem Artenschutz Rechnung tragen. Grünbrücken wie hier über die Bundesstraße sind wichtige Bausteine, um Biotop-Vernetzung zu erreichen", sagte Minister Krischer bei seiner Informationstour an der Grünbrücke über die B64 in Altenbeken, die gefährdete und seltene Arten eine sichere Querung der Schnellstraße ermöglicht. Über die Planung und den Bau bis zur aktuellen Nutzung des Bauwerks informierte sich der nordrhein-westfälische Minister Krischer auf seiner Sommertour.

Biodiversitätskrise wirksam bekämpfen

Die Grünbrücke bei Altenbeken-Buke ist 23 Meter lang und 50 Meter breit bei einer Höhe von mehr als sechs Metern. 2013 fertiggestellt, dient das Bauwerk seitdem etwa Reh- und Schwarzwild, Fuchs oder Feldhase, Iltis, Dachs, Baum- oder Steinmarder und auch Wildkatzen als sichere Querungsmöglichkeit über die mit 15.000 Fahrzeugen täglich viel befahrene Bundesstraße. Mitten im Verlauf der B64 zwischen Paderborn und dem angrenzenden Bad Driburg befindet sich das Eggegebirge, das sich in die Kreise Lippe, Paderborn und Höxter erstreckt. "Jahrzehntelang war die stark frequentierte Bundesstraße eine Barriere unter anderem für die Wildtiere", erläutert Michaela Scheideler-Bangert, Projektleiterin der Straßen.NRW-Regionalniederlassung Sauerland-Hochstift.

Für die Entwicklung einer gesunden Population von Rot- und Rehwild, aber auch für die Ausbreitung der Wildkatze war sie ein großes Hindernis. "Der Egge-Höhenzug ist ein bedeutender Korridor in einem großräumigen Lebensraumverbund. Mit dem Bauwerk schützen wir nicht nur die Artenvielfalt. Wir ermöglichen eine Vernetzung von Wanderungskorridoren und Lebensräumen vor allem für Rotwild und Wildkatze", ergänzte Scheideler-Bangert.

Die Grünbrücke ist von einem speziellen Zaun umgeben, hält die Tiere von der Bundesstraße fern und lenkt sie gleichzeitig auf die vielbewachsene Brücke. Das Regionalforstamt hat in Zusammenarbeit mit der Bonner Wildforschungsstelle Kameras installiert, die die starke Frequentierung nachweisen. Mit Hilfe der Aufnahmen werden Wildwechsel kartiert, Fährten, Losungen und Fraßspuren fotografiert und vermessen. Die Kameras halten querende Tiere mit Datum und Uhrzeit fest.

"Straßen.NRW plant, baut und pflegt landesweit Querungshilfen wie Grün- und Faunabrücken, Landschaftstunnel sowie Wildwarnlagen an Landes- und Bundesstraßen. Die für dieses komplexe Aufgabenfeld notwendige baupraktische Erfahrung und naturschutzfachliche Expertise ist im Landesbetrieb umfassend vorhanden und wird, auch in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) und weiteren Naturschutzbehörden, umgesetzt", erklärte Straßen.NRW-Direktorin Dr. Petra Beckefeld.

Mit Blick auf die biologische Vielfalt in Nordrhein-Westfalen mahnte Minister Krischer aber auch einen noch ambitionierteren Natur- und Artenschutz an. "Wir sehen überall dort, wo wir einen ambitionierten Naturschutz umsetzen, dass wir Erfolge erreichen - wie etwa bei der Arbeit der Biologischen Stationen. Darauf müssen wir aufbauen", sagte Minister Krischer. Denn der Verlust an biologischer Vielfalt sei in Nordrhein-Westfalen weiterhin hoch:

  • Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier-, Pilz- und Pflanzenarten stehen in Nordrhein-Westfalen auf der "Roten Liste" - sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben.
  • Rund 80 Prozent der Lebensräume im Tiefland sind in einem ungünstigen Erhaltungszustand -  allen voran Moore, Grünland- und Gewässerlebensräume sowie Eichen- und Auenwälder.
  • Aktuell sind nur 8,8 Prozent aller Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand.

Die Ursachen des Artenrückgangs und des Verlusts an biologischer Vielfalt sind häufig menschengemacht: Neben den Folgen des Klimawandels gehören hierzu unter anderem eine zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß. So gingen im Jahr 2020 täglich in Nordrhein-Westfalen etwa 5,7 Hektar an Lebensräumen für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten für Siedlungs- und Verkehrsnutzungen verloren.

Die Landesregierung will dem Verlust der biologischen Vielfalt und dem fortschreitenden Artenrückgang gegensteuern. "Die Biodiversitätskrise ist die zweite große ökologische Krise unserer Zeit", sagte Minister Krischer. "Die Landesregierung hat sich vorgenommen, mit einer Vielzahl von Maßnahmen und einer umfangreichen Finanzierung die Biodiversitätskrise wirksam zu bekämpfen und in allen Politikfeldern mitzudenken."

Minister Krischer wird sich in den nächsten Wochen im Rahmen seiner Informationsreise quer durch Nordrhein-Westfalen vor Ort von Expertinnen und Experten über den Zustand der Natur, über ambitionierte Artenschutz-Projekte sowie über notwendige Maßnahmen informieren lassen.

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Umweltdaten aus Nordrhein-Westfalen: Mit dem Umweltportal NRW hat das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr eine zentrale Anlaufstelle für behördliche Daten und Informationen zum Umweltzustand in Nordrhein-Westfalen geschaffen.

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